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Branchentreff

Fachgruppentagung der Wiener Transporteure in der Remise.


Fachgruppentagung der Wiener Transporteure

Der Spätsommer tauchte Wien in hellen Sonnenschein: Besseres Wetter hätte man sich nicht wünschen können für den diesjährigen Branchentreff der Transporteure in der WKO, die sich an diesem 21. September in einer besonders passenden Örtlichkeit begegneten. Die Remise der Wiener Linien in der Fruethstraße, in der sich auch das Straßenbahnmuseum der Wiener Linien befindet, bot mit ihrem großzügigen Format und pittoreskem Loft-Charme genau den richtigen Rahmen für die hübsch vorbereiteten Tische. Fachgruppenobmann Wolfgang Böhm sorgte von Beginn an für eine zwanglose Atmosphäre, indem er Bekannte wie auch Neulinge persönlich begrüßte und sich viel unter den Veranstaltungsteilnehmern aufhielt.


Der erste Programmpunkt und ein echter Teilnehmermagnet war die eigens gebuchte Fahrt mit einer Straßenbahngarnitur aus vergangenen Zeiten. Die Teilnahme war freiwillig. Auf dieser Fahrt ließ sich das authentische Fahrgefühl einer längst vergangenen Zeit erleben, inklusive ordentlichem Geruckel, historischen Werbetafeln und sogar einem richtigen Schaffner (von vielleicht sieben Jahren). Anders als zur Originalzeit wurden dabei Sekt und Bier gereicht. Es war spannend und interessant, Wien einmal von dieser Warte aus zu erleben, was gegenüber der Geschmeidigkeit heutiger Verkehrsmittel durchaus einen höheren Erlebniswert bot. Die reichen Holzvertäfelungen des Innenlebens könnten sogar beispielgebend für künftige Wagenausstattungen sein.


authentisches Fahrgefühl im Rahmen der Fachgruppentagung in Wien

Der Vortragsteil unterschied sich von manch anderer Zusammenkunft einer Branchenvertretung sehr positiv, denn keiner der Referenten verlor sich in trockenen Zahlenwerken oder Tätigkeitsberichten. In der Praxis sah das so aus: Eine gut aufgelegte, aber nicht bemüht spaßige Moderatorin führte souverän durch den Abend. Zuerst brachte Wolfgang Böhm einen wirklich kurzweiligen und inhaltsreichen Abriss der aktuellen Situation der Verkehrspolitik in Wien. Positiv hier: Es war aufs Wesentliche verdichtet, dabei bildhaft, außerdem kurz. Dass gegen manche politischen Entscheidungsträger in der Stadtverwaltung ein paar Kopfnüsse ausgeteilt wurden, liegt in der Natur der Sache. Böhm begann seinen Bericht mit der Feststellung, dass es schwierig sei, in Wien mit größeren Fahrzeugen um die Ecke zu kommen, was auch mit den engagierten Bemühungen Wiens um den Ausbau des Radwegenetzes zusammenhängt.


Als schwierig beschrieb er es auch, einen Termin bei der zuständigen Stadträtin zu bekommen. Im Bereich der Finanzen konnte er berichten, dass die Mauterhöhungen etwas gedämpft werden. Den Branchenkollegen sprach er angesichts der steigenden Kosten für die Unternehmen aus der Seele, als er sich bei den kommenden Tarifverhandlungen „möglichst keine Lohnerhöhungen“ wünschte. Einen ganz praktischen Rat hatte er ebenfalls, nämlich hinsichtlich des Weiterbildungsbonus für Mitarbeiter. Der kann und sollte nach Möglichkeit noch ausgeschöpft werden.


Seine Prognose zur Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahr war eher etwas pessimistisch, denn er rechnet mit einer Abschwächung in einer generell unklaren Gesamtsituation. Im Bereich der weiteren Regulierungen ging er kurz auf die neuen Tachometer ein, die bestimmte Daten per Funk versenden, sodass Kontrollen möglich sind, ohne das Fahrzeug anzuhalten. Auch die weitere Entwicklung im Bereich neuer Kraftstoffe wie HVO100 ist nicht ganz geklärt, hier hängt vieles von der Bewertung durch die Politik ab. Abschließend ging Wolfgang Böhm auf das immer deutlicher spürbare Problem des Fahrermangels ein. Er berichtete von einem Beispiel, wo ein Betrieb auf eigene Kosten 80 Fahrer ausgebildet hat, von denen dann aber 20 nicht in diesem Beruf gelandet sind.


Werner Tober sprach danach über alternative Antriebstechniken und wollte mit seinem Vortrag die Frage beantworten, was die Branche in dieser Hinsicht erwartet. Er meinte aber gleich zu Beginn, dass er nur eine Orientierung vermitteln könne, denn die „eine Antwort“ gebe es noch nicht. Dieser Vortrag war, wenn man so will, überraschend klimafreundlich. Die aktuelle Entwicklung führte er auf regulatorische Vorgaben der Politik zurück, sie ist nicht aus den Bedürfnissen des Marktes heraus entstanden. Er erklärte dann anhand von Bildtafeln den Anstieg des Kohlendioxids in der Atmosphäre mit einer Beschleunigung in den vergangenen zehn Jahren, brachte dabei jedoch nicht die Überlegung auf, ob dazu vielleicht auch die industriellen Anstrengungen im Zusammenhang mit der Energiewende oder andere neue Energienachfrager wie zB Bitcoin beigetragen haben könnten (Blickpunkt LKW & Bus berichtete in Ausgabe 9/2024). Dass bei den Bemühungen um eine Änderung der Straßenverkehr in den Fokus genommen wird, begründete er mit dessen Zunahme: Er hat einen Anteil von 25 % der Kohlendioxidemissionen in Europa.


Hinsichtlich der alternativen Antriebe führte er aus, dass ein Teil der Klimafolgen nicht mehr umkehrbar ist, andere jedoch abgeschwächt werden können. HVO100 erhielt eine ganz klare Empfehlung, es löst jedoch nicht das Problem, sondern wirkt nur unterstützend, und es ist jetzt bereits erhältlich. Es handelt sich dabei um einen Quasi-Dieseltreibstoff, der aus Restölen (Speiseöl usw.) hergestellt wird. Die Produktionskapazitäten werden erhöht, reichen aber nicht für die Deckung des Dieselverbrauchs. Derzeit wird dieser Kraftstoff nicht als klimaneutral anerkannt. Danach ging es um die sog. E-Fuels, also Designertreibstoffe mit Beteiligung von Wasserstoff. Hierfür kann man zeitweilige Überkapazitäten der Windräder und Solarzellen für die Herstellung von Wasserstoff nutzen. Dies hat zwar einen geringen Wirkungsgrad von nur 50 %, wäre aber sonst verloren. Mit dem Wasserstoff kann man andere Treibstoffe aufwerten, außerdem kann er zusammen mit Kohlendioxid aus der Luft zu neuen Kraftstoffen zusammengebaut werden. Für diese Phantasien müssten die Kapazitäten aus Wind- und Sonnenkraft verzehnfacht werden. In der afrikanischen Wüste ließe sich das gut umsetzen, er warnte jedoch vor politischer Unsicherheit in diesen Gebieten.


Schließlich erwähnte er noch die direkte Verbrennung von Wasserstoff im Motor und die früheren Pläne der EU für die Abgasnorm Euro 7, die inzwischen zurückgenommen wurden. Dafür hätte der Katalysator vor dem Start mit 5–10 kW vorgeheizt werden müssen, damit keine Schadstoffe durchgehen. Trotz der Rücknahme dieser Pläne bleiben einige Herausforderungen. Dieses Konzept hätte einen gewissen Charme als Übergangstechnik für schwere Nutzfahrzeuge, allerdings ist die Herstellung des Wasserstoffs energieintensiv und die Sache wäre nur sinnvoll, wenn der dafür benötigte Strom aus umweltfreundlichen Quellen stammt. Außerdem benötigt ein elektrischer Lastkraftwagen Batterien im Gewicht von 5–6 t und hat den 2- bis 2,5-fachen Preis eines herkömmlichen Fahrzeugs. Eine spannende Information kam zuletzt: Wenn man die Kohlendioxidemissionen umfassend berechnet, also schon von der Gewinnung der Rohstoffe und der Herstellung des Fahrzeugs her, dann ist ein Verbrenner mit HVO100 plötzlich konkurrenzfähig mit dem elektrischen Antrieb.

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