Ultimaax-Achsaufhängung für Tandem-Hinterachsen.
Sie hatten’s schwer und nahmen die Sache auch keineswegs auf die leichte Schulter. Aus den USA mit einer in europäischen Landen gänzlich unbekannten Achsaufhängung für Tandem-Hinterachsen in der Alten Welt anrücken zu wollen – dieser Beschluss fiel bei Hendrickson vor ungefähr vier Jahren. Er beweist Ehrgeiz ebenso wie Selbstvertrauen.
Und, um es gleich vorwegzunehmen: Die Bemühungen sind nun dergestalt von Erfolg gekrönt, dass MAN die Hendricksche Elastomerfederung als durchaus attraktive Alternative zu den üblichen Parabelfedern sozusagen ab Werk liefert.
Bis dahin aber war der Weg kein leichter. Hatte Hendrickson in den USA mit dem dort seit zwölf Jahren erhältlichen und derzeit jährlich rund 14.000 Mal verkauften System insofern leichtes Spiel, als das die dort üblichen Stahlfederungen doch eher schlichterer Natur sind. Und einem Vergleich mit ihren europäischen Pendants nur sehr bedingt standhalten würden.
Was tun? Die Hendrickson-Mannen feilten erst einmal kräftig am Rezept für ihr Elastomer-System, um es auch dem verwöhntesten europäischen Gaumen noch schmackhaft zu machen. Zugleich war die Frage zu beantworten, welche Cuisine denn damit zu bedienen wäre?
Das System auf all die verschiedenen Hinterachskonstruktionen der europäischen Hersteller zuzuschneiden, das wäre eindeutig zu viel des Guten und ziemlich unverdaulich gewesen. Also fiel die Wahl auf MAN, deren Tandem-Hinterachse eine interne Untersuchung bei Hendrickson ein besonders fortgeschrittenes Wesen bescheinigte. Das Motto war also: Schaffen wir es bei denen, dann ist das für den Rest des Markts schon die halbe Miete.
Angenehmer Nebeneffekt, der auch bei MAN zu gewissem Appetit führte. Mit ihrem weit herumgereichten Demo-Lkw und einigen umgebauten Kundenfahrzeugen stellte sich speziell auch in von Daimler-Lkw dominierten Fuhrparks großer Appetit auf die Elastomer-Federung ein, die nun einmal für ein paar Jährchen ausschließlich beim MAN zu haben ist. Denn jede Entwicklung und Homologation für ein anderes Fabrikat würde bedeuten, dass noch einmal rund vier Jahre ins Land zu gehen hätten.
Apropos Demo-Truck und Retrofit-Fahrzeuge: „80 Prozent der Flotten“ hat Hendrickson aus dem Echo für den hauseigenen Dem—Truck herausgelesen, „würden die Ultimaax-Federung für ihren Fuhrpark bestellen.“
Die Erfahrungen bei den Flottenhaltern könnten besser nicht sein: „Bessere Standfestigkeit beim Kippen, mehr Zuladung, besserer Fahrkomfort sowie weniger Reifenverschleiß an den Hinterachsen.“
„Elastomere“ lautet das Zauberwort, das hinter der Hendricksonschen Lösung für das Tandem-Hinterachsaggregat steht. Und Elastomere verfügen über ein seltsam wandelbares Wesen. Schießt einer mit der Flinte auf sie, quittieren sie das mit einer Steifigkeit, die der einer Wand entspricht. Kommt man ihnen eher sachte, dann zeigen sie aber ein durchaus sanftes Wesen.
Für die Federungseigenschaften am Lkw bedeutet das: Im Gegensatz zur linearen Kennlinie einer Parabelfeder, die ab gewisser Belastung éinfach bricht, können sie mit einer progressiven Kennlinie dienen. Die wiederum schließt einen Bruch praktisch aus und heißt für die Praxis, dass die Federung umso steifer wird, je höher ihre Belastung ausfällt.
Wobei zu den Besonderheiten der Ultimaax-Federung von Hendrickson nun gehört, dass zwei verschiedene Elastomer-Mimiken arbeitsteilig vorgehen: Vertikal geschichtete Lagen – sogenannte Scherfedern – arbeiten eben mit Scherung in der Senkrechten und sind fürs Federn bei Leerfahrt oder mit geringer Last zuständig. Drückt ordentlich Gewicht auf die Achsen, schlägt die große Stunde der zwei konusförmigen Elastomer-Blöcke, die bei Leerfahrt nicht belastet werden, nun aber ihre Fähigkeiten zeigen können.
Insgesamt ist Ultimaax von Hendrickson folgendermaßen aufgebaut: Der Verbindung mit dem Fahrzeugrahmen dient ein kräftiger, portalförmiger Bock, den 14 Schrauben in seinem oberen Part dort fixieren. Zwischen ihm und seiner unteren Schleife sitzen halblinks wie auch halbrechts die für schwere Last zuständigen Elastomer–Kegel, die bei Leerfahrt Ruh‘ haben. Da übernehmen die Federung eben jene Gummipuffer, die ganz zur Rechten wie zur Linken im Unterzug des Portalbocks postiert sind. Den. Namen „Scherfedern“ verdanken sie ihrer Eigenart, das Ungemach zu dämpfen, indem sich ihre Lage in der Vertikalen gegeneinander verschieben.
Nicht genug der Finessen, ragt nach unten hin schließlich aus der rechteckigen Gestalt des Oberteils ein solider Konus heraus, der einen Pendellager-Balken aufnimmt, den Hendrickson „Walking Beam“ nennt und darauf auch ein Patent hält. Der fungiert als Zwischenglied. Mittels dessen sich Chassis und Achse die Hand reichen können – und dient darüber hinaus als Achslastausgleich reinsten Wassers.
Was dabei an Verschränkungsvermögen rauskommt, kann sich sehen lassen: 420 Millimeter stehen da zu Buche zwischen dritter Achse auf der einen und vierter Achse auf der anderen Seite. In Längsrichtung sind es 380 Millimeter zwischen den Achsen. Kein Wunder, dass die Fahrer immer wieder von besonders guter Traktion reden: Ist Voraussetzung dafür doch, dass eben Kontakt zum Grund besteht.
Umso besser, wenn auch noch die Bodenfreiheit profitiert. 338 für Ultimaax statt 325 Millimeter wie mit Stahlfederung unter Achsmitte haben Messungen ergeben.
Und fürs Federungsverhalten, sowohl in der täglichen Praxis als auch kürzlich am Red Bull Ring unter die Lupe genommen, gilt: Positiv vermerkt der Popometer, dass sich die progressive Kennlinie des Elastomers eben in einem sachteren Aufbau der Dämpfung äußert als bei Parabelfedern. Frappant ist gerade bei Leerfahrt, mit welcher Dezenz Ultimaax über Ungemach wie Kanaldeckel oder Schlaglöcher geradezu hinweggleitet: Quittiert die Parabelfederung vorn die Unebenheit in solchen Fällen mit deutlichen Schlägen, herrscht – Sekundenbruchteile später – hinten fast schon andächtige Stille.
Mit diesen Annehmlichkeiten nicht genug, gesellt sich zu alldem noch ein weitgehend wartungsfreies Wesen ohne Schmierpunkte oder Dergleichen. Verschleiß gibt es zwar auch, doch hält sich das Ausmaß in Grenzen und erfordert so alle vier bis sechs Jahre einen Austausch der Elastomer-Elemente.
Was die Temperaturbeständigkeit angeht, so reicht diese von minus 37 bis plus 75 Grad. Als Gewichtsersparnis rechnet Hendrickson für das Tandem à zwei Mal 13 Tonnen zudem vor: 250 kg gegenüber Parabelfederung und 370 Kilogramm verglichen mit trapezgefedertem Aggregat.
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